
Erst einmal ist es wichtig zu verstehen, was die Fotografie in meinen Augen bedeutet.
Ich bezeichne es gerne als Ausdruck meiner selbst. Es hilft mir dabei die Dinge um mich herum zu verstehen und vor allen Dingen zu akzeptieren. Mich selbst zu akzeptieren. Die Fotografie ist für mich das Spiegelbild meiner Seele.
Sie ist die Konfrontation allen Seins.
Sie ist mein drittes Auge, welches die Umstände so festhält, wie ich sie empfinde.
Ein Ausdruck meiner Gefühle in ihrer reinsten Form.
Für mich ist die Fotografie nicht nur ein schönes Bild unserer Liebsten oder ein schickes Foto von einer Reise. Nein, sie ist das Gefühl welches ich in diesem Moment hatte. Das Wichtigste auf einem Foto für mich ist das Übertragen dieser Emotionen. Die Sensibilität der Person zu spüren, welche sich auf dem Foto befindet.
Ein Foto bedeutet nicht nur das abzulichten was man mit dem bloßen Auge erkennen kann, sondern das, was man mit dem Herzen fühlt.
Sie spiegelt die Freude, die Melancholie oder die Angst wieder, welche ich in diesem Moment empfunden habe. Die Fotografie friert dieses Gefühl ein auf ewig.
Sie bedeutet blank ziehen. Ohne jeglichen Schutzhüllen offenbart werden.
Die Fotografie hilft mir Erlebtes zu verarbeiten. Sie leert meinen Kopf, damit ich wieder frei bin für andere Dinge.
Sie befreit mich vor dem Drang alles in mich hineinzufressen.
Anfangs nutzte ich sie gerne als Ventil meiner Emotionen. Dann als Prozess der Selbstfindung. Heute ist es die reinste Form mich selbst auszudrücken.
Sie bleibt mein ständiger Wegbegleiter.

Wie alles begann..
Schon als Kind war ich angezogen von der Fotografie. Formen und Farben faszinierten mich sehr.
Als kleiner Fratz baute ich schon mein kleines „Studio“ auf und setzte Gegenstände nebeneinander um ein Auge für Komposition zu bekommen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal was Komposition überhaupt bedeutet.

Ästhetik war es, die mich anzog. Ich hatte keine Ahnung wie genau man zu einem „schönen“ Bild kommt… doch ich wollte so etwas schönes selber machen können.
Es gibt keine wissenschaftliche Formel oder eine Regel, welche als DIE EINE Form der Ästhetik anerkannt wird. Oke klar, es gibt den goldenen Schnitt aber es ist nicht wissenschaftlich fundiert, was Menschen genau an einem Bild anziehend finden.
Ich konnte jedoch schon sehr früh sagen, was genau ich weshalb an einem Foto oder Gemälde schön fand.
Farben, Formen, Konturen, Licht, Helligkeit, Dunkelheit oder einfach die Schönheit der Person auf dem Abgebildeten. Ich konnte es immer genau definieren.
Es selber zu fotografieren ist hingegen eine ganz andere Geschichte.
Noch heute liebe ich es alte Fotografien zu durchstöbern. Alles alte zieht mich auch heute noch in den Bann.
Von analogen Kameras und Videoaufnahmen bis hin zu alten Drucken oder Dunkelkammerutensilien.
Doch dazu möchte ich in einem späteren Beitrag genauer eingehen.
Seitdem ich denken kann sehe ich die Fotografie als ein künstlerisches Handwerk an.
Der künstlerische Aspekt darin ist die Kunst des Sehens. Das Übermitteln eines Gefühls – in einem Bild eingefroren.
Und Handwerk, weil man die Fertigkeit erst erlernen muss. Man muss lernen das Gesehene auf Papier zu bringen. In der Form, wie man es sich vorstellt bevor man überhaupt den Auslöser drückt.
Ja richtig, bevor ich überhaupt den Auslöser betätige sehe ich das Endprodukt schon vor mir. Ich spüre die Weichheit des Papiers. Stelle mir die Farben auf diesem vor und fühle mich in das Motiv hinein. Dann drücke ich ab.
Dann, wenn mein Gefühl mir sagt, dass es der richtige Moment ist.
Meistens ist eine Fotografie für mich ein gedrucktes Endprodukt. Kein Foto verloren in den Tiefen der digitalen Welt.
Sie sollte meiner Meinung nach unbedingt immer auf Papier gebracht werden.

Warum ich das denke? Ich habe keine Ahnung.
Vielleicht weil Papier genau so vergänglich ist wie der Mensch selbst oder aber weil das Fühlen des Papiers einfach nur nochmals das Gefühl während des Fotografierens widerspiegelt.
Fotoalben haben für mich immer noch einen hohen Stellenwert, da es eine Art Dokumentation zeigt. Jedes einzelne Foto entspringt einer Biografie. Meiner Biografie.
Es zeigt Augenblicke, deren ich Zeuge war.
Ich will, dass die Menschheit nach mir weiß, dass ich existiert habe.
Das bringt mich dazu darüber zu schreiben wie ich zur Leidenschaft der Autoportraits gekommen bin.
Als Kind war ich keines Fotos scheu. Doch als Pubertierende habe ich mein Äußeres gehasst. Ich empfand andere immer als schöner, schmaler oder einfach ansehnlicher. Niemals hätte ich mich selbst als schön bezeichnet.
Unzufrieden mit mir selbst zog ich durch die Welt. Fotos von mir hätte ich am Liebsten verbrannt.
Irgendwann kam dann der Knackpunkt. Fernab von einer Gesellschaft, wo jeder zehn Selfies täglich von sich macht begann ich Kleinigkeiten an meinem Körper rauszupicken, welche mir gefielen.
Es fing an mit meinen Augen, dann war es mein Lachen, dann meine Nase… mit und mit fing ich an mich wieder lieben zu lernen.
Also begann ich auf jedem Foto was jemand von mir machte zu lachen um meine Unsicherheit zu übertönen. Ob es ein gefaktes Lachen war oder nicht spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle.
Doch irgendwann begriff ich, dass es sich nicht um ein Lachen geht. Oder um meine Nase. Es geht sich um mein Gesamtbild. Ich muss lernen mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Und das bedeutet alles an mir
So langsam fing ich mit den Autoportraits an.
Ob ich mich nun zu dick oder zu dünn fand. Die Fotografie begleitete mich durch all diese Phasen der Selbstakzeptanz.

Manipulation der Fotos
2012-2014 fand ich Manipulation an meinen Fotografien extrem interessant. Ich fand es faszinierend, wie leicht man Menschen, Fotos und Geschichte durch kleinste Techniken manipulieren kann.

Ich empfand subtile Details der Manipulation in Fotografien attraktiv. Dann wurde es immer extremer. Ich wollte darauf aufmerksam machen, wie schnell und einfach eine Gesellschaft manipuliert werden kann.
Zu dieser Zeit war meine Fotografie noch sehr kontrastreich. Ohne jegliche Weichheit. Sie schrie „hier bin ich!“.
Ich wollte die Gesellschaft zeigen, ohne sie zu zeigen. Es ging sich weniger um Reportage als um die Montage.

Erst als 2015 ein einschneidendes Erlebnis mein Leben komplett verändert hatte, fing ich an die Heilung hinter diesen Selbstportraits zu erkennen.
Ich wandte den Blick nunmehr nach außen. Immer noch gesellschaftskritisch versuchte ich ab dann meine Fotografie in der Reportage anzuwenden. Ich dokumentierte das Leben außerhalb meiner kleinen Blase.
Meine Fotografin wurden um einiges weicher. Sinn dahinter war es die Zerbrechlichkeit meiner selbst präsenter zu zeigen.

In Frankreich 2015 wurde das autoportraitieren dann fester Bestandteil meines Lebens, so wie es viele in meinem Umfeld noch heute von mir kennen.
Ich hatte einiges zu verarbeiten und merkte schnell, dass dies am Besten geschieht indem ich mich mit meiner selbst konfrontiere.
Es waren keine typischen, lachenden, selfie-artigen Bilder. Nein, es waren frontale Aufnahmen meiner selbst. Ohne Lachen. Das wurde mir zu dieser Zeit genommen. Ohne Freude. Als gebrochener Mensch.
Ich ließ meine Augen sprechen. Meine Seele nahm so Gestalt an.
Doch die Fotografie von mir selber diente nie dem Zweck der Eitelkeit.
Die Autoportraits dienten auch nicht den Zweck gesehen zu werden. Es diente als reiner Heilungsprozess. Ein Prozess mein Leben und mich zu akzeptieren.
Dies sollte der Beginn einer endlosen Reihe von Autoportraits werden.
Heute verstehe ich unter Ästhetik etwas ganz anderes. Ein Foto sollte ein cinemaartiges Licht enthalten. Die Dunkelheit muss die Helligkeit übertrumpfen. Das Licht dient nur zum schmeicheln des Sujets.
Denn alles Schöne verbirgt sich im Dunkeln.

Für mich ist ein Selbstportrait eine Art persönliche Ausdruck die es schafft unsere täglichen Launen festzuhalten. Zum Einen zeigt es ganz klar unsere physische Präsenz aber auch unsere spirituelle Präsenz, welche sich meiner Meinung nach immer durch die Attitüde zeigt.
Ein Blick, eine Position oder ein Verhalten. All diese Aspekte geben ein Bild an die Außenwelt. Man möchte gesehen werden! Wir sind der Schöpfer unseres eigenen Spiegelbildes.
Der Autoportraitist entscheidet selber was er zeigen möchte und was er lieber im Verborgenen lassen möchte. Jedes einzelne Selbstportrait verkörpert den Prozess des Schaffens.

Jedes einzelne Selbstportrait zeigt uns immer mehr wer wir sind. Es gräbt sich Schicht für Schicht bis zu dem Essenziellsten Punkt unseres Seins.
Um es ganz kurz zu sagen: ein Selbstportrait bedeutet Identität. Es ist Zeuge unserer Existenz. Es zeigt, dass wir Teil der Geschichte sind, der Geschichte der Menschheit.
Ein Porträt von sich selber bedeutet für mich, eine Identität zu besitzen, ein Individium in dieser Gesellschaft zu sein, welche seit langem versucht uns zu standardisieren.

