S T O M A – Kacken is my cardio

Dieses Interview mit der wunderbaren Melanie soll Aufschluss und Sensibilisierung für das Thema Stoma bieten.

Foto Romina Schade

Hey, mein Name ist Melanie. Ich wurde in Duisburg geboren und bin heute 32 Jahre alt. Seit 13 Jahren lebe mit meinem Partner und Hund Joker im Ruhrpott, NRW. Genauso lange habe ich bereits eine chronische Darmkrankheit, Morbus Crohn.

Ich kann charakterlose Menschen nicht leiden, doch dafür liebe ich die Natur und alle Arten von Tiere. Meinen Humor würde ich als sarkastisch beschreiben und auf Horror fahr ich voll ab. Gute Filme, Bücher und Musik prägen mein Leben. Ich sage offen, was mir auf der Zunge brennt. Doch dies war nicht immer der Fall.

Wann genau hast du erfahren, dass du krank bist?

Ich hatte als 12/13 jährige schon häufig Bauchschmerzen und nach dem Essen Krämpfe und Durchfall. Irgendwann lies das aber wieder nach.

Mit 17 fing es dann wieder an und mit 18 ging es dann auch mit dem starken Gewichtsverlust los.

Mein damaliger Arzt war der Meinung ich habe Magersucht und solle mich nicht so anstellen.

Das Aufsuchen von einem Spezialisten/Gastroenterologen war unumgänglich und mit 19 und 4 Darmspieglungen später hatte ich dann die Diagnose Morbus Crohn.

Was ist Morbus Crohn?

Der Morbus Crohn ist eine Entzündung des Magen-Darm-Traktes, die vom Mund bis zum After auftreten kann. Meistens sind der untere Dünndarm und der Übergang zum Dickdarm betroffen. Als Folge des Entzündungsprozesses kann es zu Einengungen des Darmes und zu Fisteln kommen. Fisteln sind neu entstandene Entzündungsgänge. Bisher ist nicht geklärt, wie der Morbus Crohn entsteht und welche Auslöser für die Krankheit verantwortlich sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient mit einem Morbus Crohn in seinem Leben operiert werden muss, ist hoch.

Da auch eine Operation die Krankheit nicht heilen kann, ist es besonders wichtig, möglichst wenig Darm operativ zu entfernen, um Funktionsstörungen zu vermeiden. Daher wird oft ein Stoma gelegt um einen normalen Alltag für die Betroffenen zu ermöglichen.

Was ist denn nun ein Stoma?

Ein Stoma ist ein künstlicher Darmausgang. Das Wort „Stoma“ oder „Stomie“ bedeutet „Mund“ oder „Öffnung“ und kommt aus dem Griechischen.

Über das Stoma wird am Bauch eine künstlich geschaffene Öffnung des Darms angeleitet. Es wird eine offene Verbindung zwischen einem inneren Hohlorgan und der äußeren Haut geschaffen.

Foto @womenshealthuk

Dieser wurde mir im Januar 2020 gelegt um den Enddarm zu entlasten/still zu legen und dortige Fisteln (Fisteln sind Gänge die den Darm und die Haut miteinander verbindet, diese verursachen auch Abszesse weswegen ich Mitte Januar auch schon 2x operiert wurde) in weiteren Operationen zu behandeln/beseitigen.

Allerdings wurde ich dann schwanger & die letzte Operation wofür das Stoma eigentlich gelegt wurde steht deshalb noch aus.

Wie kann man sich die Behandlung vorstellen?

Ich wurde am 29. Januar 2019 bezüglich des Stomas operiert und musste noch bis zum 10. Februar stationär behandelt werden.

In der Zeit betreute mich meine Stomatherapeutin und zeigte mir genau wie ich den Beutel wechsel und wie ich den Darmteil reinige.

Zum Glück hatte ich den Dreh schnell raus und auch keinerlei Berührungsängste oder dergleichen.

Für mich war’s als wäre es schon immer so gewesen. Hatte mich aber auch schon ein ganzes Jahr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.

Die Nähte womit der Darmteil an der Bauchdecke festgenäht war, waren unangenehm & mussten gezogen werden.

Gibt es eine Heilung? Wenn ja welche Art?

Seit 13 Jahren habe ich nun diese chronische Darmkrankheit, Morbus Crohn. Leider ist diese nicht heilbar.

Das Stoma soll später wieder zurückverlegt werden.

Nach der Geburt folgt ein MRT vom Enddarm und dann wird alles weitere besprochen.

Wie kann man sich als Außenstehender den Alltag mit Stoma vorstellen? Gibt es große Einschränkungen?

Man kackt halt in einen Beutel und nicht in die Toilette. Man hat sein Klo immer dabei und muss es leeren oder wechseln wenn es voll ist.

Foto @adventure_of_mara

Man muss schauen wie man mit seiner Kleidung und dem Stoma zurecht kommt. So das es nicht ungemütlich ist oder drauf drückt.

Man muss immer eine kleine Tasche mit Wechsel Beuteln dabei haben, falls mal was schief geht.

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Mein Umfeld hatte nicht viel Spielraum bei mir um darauf zu reagieren.

Die ersten 5-6 Jahre wollte ich kaum bis gar nicht darüber reden und habe alles mit mir selbst ausgemacht.

Mein Partner sowie meine Eltern und Freunde haben viel versucht und mir Tipps gegeben aber so richtig mit allem beschäftigt und auseinandergesetzt habe ich mich erst mit 26/27 Jahren wo das Loch immer tiefer wurde und ich keinen Ausweg mehr sah als mich dem Ganzen zu stellen.

Jetzt mal zum Positiven! Glückwunsch zur Schwangerschaft! Wann hast du erfahren, dass du schwanger bist? Kommt eine spontane Geburt in Frage?

Danke! Fast genau 1 Monat nachdem ich das Krankenhaus verlassen habe erfuhr ich, dass ich schwanger bin. Am 10. Februar diesen Jahres bin ich nach 4 Wochen Krankenhaus nach Hause gekommen. Am 9. März habe ich dann schon den positiven Test in der Hand gehalten.

Foto Romina Schade

Fast 6 Jahre hat es ohne Stoma nicht funktioniert schwanger zu werden.

Nach einigen Operationen ist es üblich, dass die Periode einige Wochen ausbleiben. Bei mir waren es dann doch ein paar Wochen zu viel, was mich dazu veranlasst hat den Test zu machen.

Bald ist das Baby da!

Kommenden Freitag ist ein Kaiserschnitt geplant. Oft wird jungen Stomaträgerinnen zu einem Kaiserschnitt geraten, besonders bei vorliegenden Verwachsungen oder Fisteln. Ist für einen späteren Zeitpunkt bereits die Rückverlegung des Stomas geplant, ist der Kaiserschnitt ebenfalls das Mittel der Wahl.

Es war bestimmt ein schwerer Weg zur Akzeptanz. Wie hast du gelernt damit umzugehen, deine Situation zu akzeptieren?

Ich habe mich irgendwann mit allem auseinandergesetzt, mich allem gestellt und alles ausprobiert was es nur gab.

Von allen chemischen und pflanzlichen Medikamenten, Ernährung, Entspannung, Meditation, stressbewältigung und alles was dazu gehört um irgendwie auf einen grünen Zweig zu kommen.

Der Kopf und der Darm sind stark miteinander vernetzt, ebenfalls spielt die Ernährung eine große Rolle.

Bis man das alles versteht und umsetzen kann muss man stark an sich und seinem Umfeld arbeiten und diese verschissene Krankheit akzeptieren und lernen damit zu leben, im positiven Sinn.

Umso stärker man es ignoriert und seinem Körper nicht genügend Ruhe gönnt umso schneller kann das nach hinten los gehen. Nach knapp einem Jahr Therapie, viel Entspannung und Selbstfindung habe ich es irgendwann verstanden.

Was auch wichtig ist, offen damit umzugehen. Zu sagen, wenn einem etwas nicht passt oder dergleichen.

Nicht alles in sich reinfressen.

Klar findet es nicht jeder witzig oder verständlich übers kacken zu reden aber ich finde einfach jeder Mensch tut es, jeder Mensch macht es, wieso zur Hölle soll man nicht darüber reden wenn man eine darmkrankheit hat?

Wenn jemand zu mir gesagt hat: „Mensch du bist aber dünn iss doch mal was“ war meine Reaktion darauf zum Schluss immer: „Kennst du chronische darmkrankheiten?! Nein?! Dann sei doch einfach ruhig, danke!“

Was mir aber auch sehr geholfen hat war der Austausch mit Gleichgesinnten. Vor 13 Jahren hatte diese Krankheit gefühlt fast noch niemand, ich konnte mir kaum jemandem darüber reden und heute sind wir so so viele. Durch die sozialen Medien stößt man automatisch auf viel mehr Offenheit.

Deine positive und direkte Art ist ansteckend. Was kannst du den Menschen auf den Weg geben um positiv zu bleiben?

Finde, was dich erfüllt, was dich glücklich macht, dich von dem stressigen schnell lebigem leben runter holt.

Foto @mel_girlwithastoma

Was dir Sicherheit gibt und dein Herz erfüllt. Streiche negatives und negative Menschen aus deinem Leben. Trage dein Herz auf der Zunge, sag was du fühlst und lass dich niemals unterkriegen.

Zum Abschluss ein Zitat oder Spruch welches dich in der schweren Zeit ermutigt hat.

„Kacken is my Cardio“

Ines Anioli


„Du weißt nie wie stark du bist, bis stark sein die einzige Wahl ist die du hast.“

Bob Marley


„Erfüllung bedeutet für mich fest verankert zu sein in einem Gefühl tiefen inneren Friedens- auch in Momenten der Unruhe und des Sturms- in egal was da kommt, im Fluss des Lebens zu bleiben“

Caroline Makovel


„Die größte Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung“

Albert Camus


Vielen Dank für das aufschlussreichen Interview. Danke für deine Zeit und Mühe allen da draußen ein wenig Aufklärung zu verschaffen.

Ich denke ich spreche im Sinne von allen, wenn ich sage: „Alles erdenklich Gute weiterhin für dein neu gewonnenes Familienglück.“

Jeder, der sich nun noch nicht von Melanie trennen will, kann ihr Leben weiter auf Instagram unter @mel_girlwithastoma folgen.

Was mich betrifft, wusste ich auch fast gar nichts über dieses Thema. Von der Krankheit Morbus Chron habe ich jedoch schon oft gehört. Erst als ich auf Melanies Profil gestoßen bin, wurde ich auf dieses Wort Stoma aufmerksam. Zu sehen, wie eine schwangere Frau damit umgeht hat mich wahnsinnig beeindruckt.

Es folgen weitere Profilvorstellungen (Instagram) von Frauen mit Stoma. Man sollte nie vergessen, dass hinter den Krankheiten Frauen stehen. Frauen, die oft stärker sind als manch andere.

@adventure_of_mara @claires.ibd @hlglass @misskilajay

Nur weil uns Dinge oder Krankheiten nicht selber betreffen, heißt dies nicht, dass wir die Augen verschließen sollten.

Das Leben definiert uns Menschen, nicht Krankheiten.